|  Leseprobe
Durch diese tröstlichen Informationen erleichtert, nahm Linnea 
        ein heisses Bad und ging dann zu Bett. Jaakko Kivistö brachte ihr 
        den Abendtee aufs Zimmer und wünschte ihr eine gute Nacht. Als er 
        sich entfernte, dachte Linnea bei sich, dass Jaakko doch tatsächlich 
        alt geworden sei, aus dem früher hochgewachsenen Mann und von den 
        besseren Kreisen bevorzugten Arzt war ein Opa geworden, der vorsichtige 
        Schritte machte und sich irgendwie tastend zum Leben verhielt. Ein Kavalier war er allerdings immer noch, und Linnea verspürte Dankbarkeit 
        und auch eine gewisse Wärme für ihn. An Jaakko schien sich die 
        Richtigkeit der Behauptungen zu beweisen, dass Männer nicht so lange 
        leben wie Frauen.Eigentlich ziemlich traurig, dachte Linnea mitleidig, während sie 
        dem alten Arzt nachsah. Wenn es Mattila gelänge, für das Haus 
        in Harmisto einen guten Käufer zu finden, könnte sie zur Freude 
        des alten Mannes bei ihm in dieser grossen Wohnung bleiben, zumindest 
        vorläufig. Während Linnea im Helsinkier Stadtteil Töölö 
        den tiefen Schlaf eines müden, alten Menschen schlief, war auch in 
        Harmisto der Abend hereingebrochen.
 
 Die Besatzung des Streifenwagens hatte sich den Bauch mit gegrilltem Schwein 
        vollgeschlagen und war es mittlerweile gründlich leid, das stille 
        Häuschen zu bewachen. Sie fuhr ab, nachdem sie konstatiert hatte, 
        dass die Randalierer trotz angestrengter Suche nicht hatten gefasst werden 
        können. Als das Polizeiauto verschwunden war, tauchten die drei Burschen 
        aus den dunklen Fichtenwäldern auf wie wütende Kobolde. Hungrig 
        machten sie sich über die Reste des Schweins her, das traurig über 
        der erloschenen Glut an seinem Spiess hing. Bald waren nur noch Knochen 
        übrig. Die Burschen schleuderten sie ins Gelände, etliche warfen 
        sie auf das Dach des Häuschens. Den Rest Senf und das Grillgewürz 
        spritzten sie an die Fensterscheiben. Als es nichts Interessantes mehr 
        zu tun gab, gingen sie zum Dorfladen.
 Sie weckten den Kaufmann und verlangten, er solle ihnen ein Taxi rufen. 
        Während sie auf das Auto warteten, entdeckten sie auf dem Hinterhof 
        Linneas Katze, fingen sie und zerschmetterten das unglückliche Tier 
        an der Zapfsäule. Der Kaufmann schloss sich in seiner Wohnung ein, 
        mochte aber nicht die Polizei rufen.
 
           
            | 
                 
                  |     
     |   
                  | Hier 
                    sehen Sie eine grafische Darstellung von Arto Paasilinna, gezeichnet von Pekka Vuori.
 |  |  Als das Taxi kam und die Männer mit sich nahm, holte er den Katzenkadaver 
        vom Hof. Er hatte Mitleid mit seiner alten Kundin, der Witwe Linnea Ravaska. 
        Es schien, als hätte die alte Dame nicht sehr vorausschauend gehandelt, 
        als sie wegen ihrer Gäste die Polizei alarmierte. In heutigen Zeiten 
        erstreckten sich Recht und Gesetz nicht immer auf die Lebensphäre 
        eines jeden Menschen. In der Nacht erwachte Linnea Ravaska von einem Alptraum. 
        Sie glaubte, sie läge immer noch zu Hause in ihrem Bett, und begann, 
        vor Angst zu weinen, doch dann erkannte sie helle Gardinen an grossen 
        Fenstern, durch die mehr Licht drang als durch die kleinen Scheiben in 
        ihrem Häuschen.Die alte Dame knipste die Nachttischlampe an und stellte erleichtert fest, 
        dass sie sich in der Stadt befand, fern von Harmisto, sicher aufgehoben 
        bei einem guten Menschen. Sie zog sich den Morgenmantel an und schlich 
        in die Bibliothek. Dort holte sie den siebten Band des grossen Lexikons 
        aus dem Regal und las unter dem Buchstaben G den Text hinter einem bestimmten 
        Stichwort:
 "Gift: Stoff, der, wenn er in die Säftebahn eines Menschen oder Tieres 
        gelangt, schon in kleiner Menge die Tätigkeit einzelner Organe schädigt 
        und dadurch krankhafte Zustände oder den Tod verursacht. Siehe Tod."
 Linnea Ravaska las ein Weilchen in dem Buch, über ihr Gesicht zog 
        ein zufriedenes Lächeln, dann klappte sie das Buch zu und kehrte 
        in ihr Bett zurück. Die alte Dame sah nach langer Zeit endlich wieder 
        glücklich aus. Sie hatte trotz allem noch die Möglichkeit, selbst 
        über ihr Schicksal zu bestimmen.
 
 Danke an die Lübbe Verlagsgruppe für die Veröffentlichungserlaubnis.
 
 
 
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |  |