 "Ich schreibe über ernste Themen"
 
        "Ich schreibe über ernste Themen"
        28 Romane, 6 Bildbände, ein Reisebuch und ein Saunabuch ...
        Die Liste der Werke aus Arto Paasilinnas Feder ist lang. Seine Bücher 
        sind in 21 Sprachen übersetzt worden. Die Gesamtauflage hat die Zwei-Millionen-Grenze 
        längst überschritten. Mehrere Romane wurden verfilmt, einer 
        kam sogar als Musical auf die Bühne.
        Petra Sauerzapf-Poser von der Deutsch-Finnischen Rundschau sprach im Dezember 
        2000 mit dem Autoren, der auf Lesereise in Deutschland war. Wir vom Literaturportal 
        schwedenkrimi.de, freuen uns, dieses Interview veröffentlichen zu 
        dürfen. 
        
           
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                  | Der 
                    Autor Arto Paasilinna |  | 
           
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        Ein 
        Kritiker hat einmal gesagt, Arto Paasilinna könne tatsächlich 
        so gut schreiben, dass man nachts um drei das ausgelesene Buch ins Regal 
        stellt, voller Kummer kein neues mehr zur Hand zu haben. Worauf führen 
        Sie Ihre Popularität zurück?
        
        Die Finnen selbst analysieren meine Bücher nicht mehr, sie lesen 
        sie einfach. Ich schreibe ja über ernste Themen: über Tod, den 
        Weltuntergang, Geisteskrankheiten, Folter, Selbstmord. Der Leser findet 
        sich und die Themen humorvoll verpackt in den Romanen wieder. Das ist 
        sicher ein Grund, warum meine Bücher so viel gelesen werden. Meine 
        Bücher sind zunächst ins Französische übersetzt worden, 
        von wo sie nach Italien, dann nach Deutschland gelangten. Erst dann erreichten 
        sie Schweden. Ich glaube, dass die Franzosen die Philosophie, die Italiener 
        den Humor meiner Romane mögen. Die Deutschen verstehen, was hinter 
        dem finnischen Humor steckt, überraschenderweise auch die Schweden.
          
        
Wie kam es eigentlich, dass aus dem Journalisten der 
        Schriftsteller Paasilinna wurde?
          
        Alle Journalisten auf dieser Welt wollen Bücher schreiben. Das ist 
        so. Das sitzt im Unterbewusstsein. Als die Inhalte der Illustrierten in 
        Finnland mehr in Richtung der seichten Unterhaltung gingen, wollte ich 
        mich an dem ganzen Schrott nicht beteiligen. Ich mietete mir ein Sommerhaus, 
        nahm mir ein Boot, lebte wie ein Seemann ohne Zeitung und schrieb in drei 
        Monaten meinen Roman "Das Jahr des Hasen". Zwar hatte ich zuvor 
        schon nebenher geschrieben, aber das war mein Durchbruch, und ich musste 
        nicht wieder in meinen alten Beruf zurück. Anschließend habe 
        ich mir vom Honorar ein neues Boot gekauft. Danach hatte ich dann immer 
        wieder neue Boote ... 
          
        
Die Protagonisten Ihrer Bücher geraten oft in ungewöhnliche, 
        unglaubliche Situationen. Haben Sie die selbst erlebt? Woher nehmen Sie 
        die Ideen?
          
        
        Ein Hilfsmittel des Schriftstellers ist seine Phantasie, aber im wirklichen 
        Leben gibt es noch weitaus verrücktere Situationen als in meinen 
        Romanen. Dabei ist es durchaus schon mehrfach vorgekommen, dass ein Zustand, 
        den ich in einem Buch beschrieben habe, dann ein, zwei Jahre später 
        tatsächlich eingetreten ist. Mein Prinzip ist aber, nicht darüber 
        zu schreiben, was im wirklichen Leben passiert, sondern nur meine Phantasie 
        zu benutzen. Ich kenne die Menschen und die Welt und gebrauche meine schriftstellerischen 
        Fähigkeiten. Ich versuche ja, nicht nur lustige Romane zu schreiben, 
        bei denen es darum geht, den Leser zu unterhalten, sondern eine Botschaft 
        zu transportieren, und das tue ich durch den Humor und nicht mit düsteren 
        Zustandsbeschreibungen, die dann vielleicht niemand lesen mag.
          
        
Wie ist die Resonanz bei den Lesern, wenn Sie ein so ernstes Thema 
        wie Selbstmord aufgreifen?
          
        Schon oft hatte ich versucht, die sogenannte Volkskrankheit der Finnen 
        und Ungarn - den Selbstmord - zu untersuchen, ist er doch akzeptable Lösung 
        für die Probleme des Lebens. Erst beim dritten Anlauf ist es mir 
        gelungen, das Thema in meinem Roman "Hurmaava joukkoitsemurha" 
        (Ein wundervoller Massenselbstmord) anders anzupacken. Das war 1990 und 
        einige Jahre nach Erscheinen des Buches ging laut Statistik sogar die 
        Selbstmordrate in Finnland um ein paar hundert Fälle zurück.
          
        
Dann ist das also Ihnen zu danken? Der Schriftsteller als Therapeut ...?
          
        ... nein, natürlich nicht. Aber schon damals fuhr ich im Herbst immer 
        für zwei, drei Monate zum Schreiben nach Portugal. Doch in jenem 
        Herbst konnte ich nicht fahren, weil das Telefon über Wochen pausenlos 
        klingelte. Leser schilderten mir ihre Lebenssituation. Je mehr Bücher 
        verkauft wurden, desto mehr Leute riefen an. Sie schienen in mir den Therapeuten 
        der Nation zu sehen. Ihre Geschichten waren so schrecklich, dass ich es 
        nicht wagte, das Land zu verlassen. Ich versuchte, die Leute zu trösten. 
        Viele haben auch direkt gesagt, dass sie, nachdem sie das Buch gelesen 
        hatten, keinen Selbstmord begehen werden. Ich bin selbst überrascht, 
        welche Wirkung ein Roman haben kann, in Einzelfällen hat die Literatur 
        eine enorme Kraft. 
          
        
Wie und wo entstehen Ihre Geschichten?
          
          
            
            
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          15 Jahre bin ich zum Schreiben immer nach Portugal gefahren, neun Romane 
        sind dort entstanden. Ich habe jetzt ein Landhaus in Finnland, in das 
        ich mich zum Arbeiten zurückziehe, obwohl Leute anrufen oder vorbeikommen. 
        Zum Schreiben braucht man Ruhe. Als Schriftsteller bin ich von der Sprache 
        abhängig, und wenn ich die aufgebe, dann verliere ich meine Heimat. 
        Wenn man im Ausland lebt, kommt irgendwann die Sehnsucht nach der Heimat, 
        der Muttersprache. Die Portugiesen sind aber ein angenehmes Volk, aber 
        die Bürokratie dort ist genauso entsetzlich wie in Finnland. 
          
        
Bleibt Ihnen bei dem recht kompakten Arbeitspensum Zeit für andere 
        Dinge, für Hobbys zum Beispiel?
          
        Ich habe vielleicht sogar zu viele Hobbys. Ich plane und baue leidenschaftlich 
        gerne Häuser, es sind schon insgesamt neun, nicht gerade groß 
        oder sakral, aber immerhin, und Saunas. Andere sammeln Briefmarken, ich 
        sammle eben Saunas. Ich bin gern auf dem Meer und ich reise, obwohl ich 
        keine Fremdsprachen kann, und ich lese, obgleich ich Schriftsteller bin. 
        Auf diese Reise habe ich mir eine etwa 400-seitige Doktorarbeit über 
        die Geschichte der Provinz Häme im 16. Jahrhundert mitgenommen. Mir 
        ist diese Lesereise jetzt offenbar noch nicht anstrengend genug. 
          
        
Verraten Sie uns, woran sie zur Zeit arbeiten?
          
        Mit meinem Verlag habe ich vereinbart, dass ich nur schreibe, wenn ich 
        Lust dazu habe. Ich bin jetzt 58 Jahre alt. Und wenn ich gesund bleibe, 
        mache ich weiter, obwohl ich meine Memoiren schon geschrieben habe. 
          
        Herr Paasilinna, wir sind gespannt und danken Ihnen für das aufschlussreiche 
        Gespräch.
          
        
Mit Arto Paasilinna sprach Petra Sauerzapf-Poser.