|  Leseprobe
Dies ist ein dokumentarischer Bericht. Der Text basiert keineswegs auf der Fantasie des Autors, sondern ausschließlich auf einer
        Vielzahl von schriftlichen und mündlichen Quellen.Zu den schriftlichen Quellen gehören die Bücher und Hunderte
        von Zeitungsartikeln, die zu dem Fall bereits veröffentlicht
  wurden. Vor allem aber handelt es sich um die Ermittlungsakten
  der Kriminalpolizei, die ich Anfang 2005 mit Genehmigung
  des Kopenhagener Polizeidirektors einsehen durfte. Das Material
  umfasst sämtliche Polizeiberichte über Verhöre und Hausdurchsuchungen,
  Gerichtsdokumente und einen Teil der Observationsprotokolle,
  die Politiets Efterretningstjeneste, der Geheimdienst
  der Polizei, PET, erarbeitet hat, nachdem die Hauptakteure beschattet
  und ihre Telefone abgehört wurden.
 Die mündlichen Quellen stammen von Zeitzeugen, die den
  Fall verfolgt haben: von Anfang der sechziger Jahre bis 1991, als
  das Urteil über sieben Mitglieder der sogenannten Blekingegade-Bande gesprochen wurde. Es handelt sich um Mitarbeiter der Kriminalpolizei,
  des Geheimdienstes und des Rechtswesens, Akteure
  im Milieu um die Gruppe sowie Familienmitglieder, Kollegen
  und andere, die die Hauptpersonen des Buches und den Verlauf
  der Ereignisse kennen.
 Ich habe versucht, mit den sieben Verurteilten Kontakt aufzunehmen,
  und ihnen angeboten, zu meinen Recherchen beizutragen. Die meisten lehnten eine Mitarbeit ab, in einigen Fällen kam
  es allerdings zu Treffen und Gesprächen.
 Außerdem habe ich mich an eine große Zahl von Menschen
  aus dem Kreis um die Kerngruppe der Bande gewandt. Der
  größte Teil dieser Personen – insbesondere die Frauen – haben es
  ebenfalls abgelehnt, über ihr früheres politisches Engagement zu
  sprechen. In einigen Fällen kam es sogar zu heftigen Reaktionen:
  Eine Frau zeigte mich an, als ich schriftlich mit ihr Kontakt aufnehmen
  wollte. Dennoch hat eine Reihe von Personen eingewilligt
  und mir ihre Erinnerungen mitgeteilt, wenngleich auch häufig
  unter dem Mantel der Anonymität.
  In vielen Fällen sind die Aussagen der Quellen mangelhaft
  oder widersprüchlich gewesen. Bei wesentlichen Dingen habe ich
  mich deswegen entschieden, diese Mängel und Widersprüche offenzulegen– um damit die Entscheidung über gewisse Zweifelsfragen
dem Leser zu überlassen. Nichtsdestotrotz übernehme ich
natürlich die volle Verantwortung für das zahlreiche Material,
  das zur Entstehung der Geschichte beigetragen hat, die auf den
  folgenden Seiten erzählt wird.
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |  
 Der Unfall
 (1989)
 
 An einem Frühjahrsmorgen des Jahres 1989 wird um Viertel
          nach sieben die Polizei von Hørsholm nördlich von Kopenhagen
          alarmiert: Auf dem Kongevej habe es südlich von Birkerød
          einen Autounfall gegeben. Der Fahrer sei schwer verletzt und
          ein Krankenwagen wäre bereits auf dem Weg zur Unfallstelle,
          heißt es in der Meldung der Einsatzzentrale.
 Die beiden Polizeibeamten des Streifenwagens 9-25 schalten
          das Blaulicht ein und bestätigen, dass sie den Einsatz übernehmen.
          Mit hoher Geschwindigkeit fahren sie auf dem Kongevej
          zum Unfallort. Unterwegs begegnen sie dem Krankenwagen,
          der den verunglückten Fahrer in entgegengesetzter Richtung
          ins Krankenhaus von Hørsholm bringt.
          Kurz darauf sind die Beamten am Ort des Geschehens. Das
          verunglückte Fahrzeug liegt mit dem Heck im Straßengraben,
          offensichtlich wurde es nach einem heftigen Aufprall in den
          Graben geschleudert.
 Der weiße Toyota Corolla ist übel zugerichtet. Der Mittelteil
          des Motors und die Frontpartie wurden durch die Kollision
          mit dem Strommast in die Kabine gedrückt. Die Kühlerhaube
          ragt in die Luft, Armaturenbrett und Frontscheibe
          sind zersplittert. Rund um den Strommast liegen Glassplitter,
          Lampen, Teile der Stoßstange und weitere Metallstücke verstreut.Auf dem Kongevej haben ein paar Autos auf dem Seitenstreifen
        gehalten. Der Fahrer eines Wagens, ein Diplomingenieur
        aus Frederiksværk, erzählt den Polizeibeamten, dass er
        direkt hinter dem Unfallwagen fuhr. Zusammen mit einem
        Kollegen war er auf dem Weg zur Arbeit.
        Er schätzt die Geschwindigkeit vor dem Unfall auf siebzig
        bis achtzig Stundenkilometer. Als die Straße eine Rechtskurve
        machte, fuhr der Wagen vor ihm weiterhin geradeaus – über
        die beiden entgegengesetzten Fahrbahnen und den Fahrradweg
        hinweg – und prallte frontal auf den Strommast.
        Der Diplomingenieur hat weder die Bremslichter aufleuchten
        sehen, noch hatte es den Anschein, als wäre der Wagen
        langsamer geworden, bevor er auf den Strommast traf. Das
        Auto wurde nach links geschleudert und blieb schließlich mit
        dem Heck im Straßengraben und der Frontpartie auf der Böschung
        stehen.
 Zusammen mit seinem Kollegen lief er sofort zu dem verunglückten
        Wagen. Der Fahrer, ein dunkelhaariger, hagerer Mann,
        saß mit dem Kopf im Nacken hinter dem Lenkrad, offensichtlich
        ohne Bewusstsein. Sein Gesicht war blutverschmiert.
        Der Kollege war sofort zu ein paar Häusern in der Nähe gerannt,
        um einen Krankenwagen zu rufen, während der Diplomingenieur
        den Sicherheitsgurt des Verletzten löste. Der atmete
        noch.
 Ein Augapfel des Mannes war herausgerissen und hing nur
        noch an ein paar Fasern über der Wange. Der Verletzte stöhnte
        und versuchte, die Arme zu heben, als wolle er sich das Auge
        reiben. Der Diplomingenieur musste beide Hände festhalten,
        um ihn daran zu hindern.
 
  Er wollte den Verletzten aus dem Auto holen, allerdings war
          in der Zwischenzeit ein anderer Autofahrer dazugekommenund hatte ihm erklärt, dass es besser wäre, den Mann sitzen zu
          lassen, bis ein Krankenwagen käme.Bei dem anderen Fahrer handelte es sich um einen Feuerwehrmann
          aus Hillerød, der zur Feuerwache von Gentofte
          wollte. Er teilte der Polizei mit, dass er hinter dem Wagen des
          Diplomingenieurs gefahren sei und dessen Bericht bestätigen
          könne: Das weiße Fahrzeug hätte plötzlich auf den entgegengesetzten
          Straßengraben zugehalten und wäre gegen den Strommast
          geprallt.
 Im ersten Moment war der Feuerwehrmann überzeugt, dass
          der Fahrer den Zusammenstoß unmöglich überlebt haben
          konnte. Als er den Mann jedoch anfasste, um ihn aufzurichten,
          hatte der sich röchelnd gewehrt. Allerdings war es dem Feuerwehrmann
          aufgrund der schweren Gesichtsverletzungen des
          Fahrers nicht möglich gewesen, Erste Hilfe zu leisten.
 Nachdem der Krankenwagen eingetroffen war, sagten die
          Zeugen, dass es sich bei dem Verunglückten vermutlich um
          einen Deutschen handle, da auf dem Rücksitz des Wagens
          deutsche Nummernschilder lagen. Doch der Fahrer erlangte
          zeitweise das Bewusstsein und murmelte, er sei Däne. Mehr
          hatte er nicht gesagt, bevor die Ambulanz ihn abtransportierte.
 
 Danke an den Osburg Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
 |