„mord.net“ will viel: Von den wahren Verbrechern alten und neuen Typs erzählen, von den Polizisten, die sie jagen, und von Menschen wie du und ich, die in eine Situation geraten, die sie verzweifelt zweifelhafte Hilfe aus dem Internet in Anspruch nehmen lässt. So wirkt der Roman streckenweise zerklüftet und hölzern, liefert aber auch spannendes Wissen rund um Internetkriminalität und erschreckende Einblicke in die Kriminalität aus dem Cyberspace, die viel bedrohlicher werden kann, als die klassische.
          
        Sie überschwemmen unseren E-Mail-Account  täglich: die zahllosen Spam-Mails, die uns Rolex-Imitate, blaue Wunderpillen,  günstige Software und vieles mehr feilbieten. Im Internet blüht der legale wie  illegale Handel genauso wie in der nicht-virtuellen Welt. Das ist soweit selbst  denjenigen bekannt, die noch nicht mit Internet und Handy groß geworden sind.  Doch in „mord.net“ zeigen uns der Internetspezialist Dan Buthler und der  Journalist Dag Öhrlund, dass mit dem modernen Medium auch ganz klassische  Verbrechen wie Erpressung und sogar Mord möglich sind.
        
        
„Brauchen Sie Hilfe bei der endgültigen Lösung eines  Problems?“
        
        Wie würden wir reagieren, wenn uns  plötzlich unter den zahlreichen Spam-Mails eine Mail mit dem Betreff „Brauchen  Sie Hilfe bei der endgültigen Lösung eines Problems?“ ins Auge fiele und wir,  wie Seymour Jones, unseren besten Freund aufgrund eitler Karrierewünsche eines  Vorgesetzten im Irak verloren hätten? Oder unsere lebensfrohe, 15-jährige  Tochter nach einer brutalen Vergewaltigung unter Drogen und nach einem Prozess,  in dem die Tatsachen verdreht und das eigene Kind in den Dreck gezogen wurde, und  nach einem Selbstmordversuch teilnahmslos, künstlich ernährt, in einem  Pflegeheim dahinvegetieren sähen wie Alice Banks? Würden wir nicht vielleicht  auch wider besseren Wissens die Mail öffnen und auf den angegebenen Link  klicken und uns bei der „endgültigen Lösung eines Problems“ helfen lassen?  Seymour und Alice, nur zwei von einer handvoll Charaktere in „mord.net“ tun es  jedenfalls, und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
        
        
Technologie und Multiperspektivität
        
        In „mord.net“ erfährt man viel über die  technischen Voraussetzungen, die es möglichen machen, übers Internet zu morden  und zu erpressen. Das gerät streckenweise etwas oberlehrhaft, wenn zum Beispiel  leitende Kommissare aus aller Welt – so auch die Hauptpolizeicharaktere Jacob  Colt aus Schweden, Hector Venderaz aus den USA und Wladimir Karpow aus St.  Petersburg – an einer internationalen Polizeikonferenz in London teilnehmen, bei  der just Internetkriminalität im Fokus steht.
        
                  
                  
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Diese Passagen haben  Referatscharakter und wirken hölzern, wiewohl an den Fakten – das beweist allein  schon die beeindruckende Danksagungsliste am Ende des Romans – sicherlich nicht  zu zweifeln ist. Daneben erzählen Buthler und Öhrlund auch aus Sicht der  Verbrecher, die dahinter stehen, und auch auf diese Weise erhält man  interessante Einblicke in die moderne Internetkriminalität. Auch diese Stellen  wirken gut recherchiert, sind aber im Gegensatz zu denen der Polizeikonferenz viel  flüssiger und spannender erzählt. Vor allem aber erfährt man, in  unterschiedlicher Ausführlichkeit, vieles über die Menschen, die diese sehr  speziellen Dienste in Anspruch nehmen.
          
        
Der scheinbar motivlose Mord
          
          
          Diese von den Autoren gewählte Multiperspektivität ist  interessant und hilft den Autoren überdies ihr fundiertes Wissen in Bezug auf  Internetkriminalität zu vermitteln, hat aber den Nachteil, dass – siehe oben –  einige Stellen wenig lebendig und authentisch wirken. Auch die Charaktere der  drei leitenden Kommissare bleiben bis zum Schluss relativ blass und konturlos,  zum Teil auch klischeehaft (vor allem das Gegensatzpaar amerikanischer  Superbulle vs. russischen, desillusionierten Kommissar im tapferen Kampf gegen  die Mafia), obwohl Buthler und Öhlund viel Zeit darauf verwenden, alle drei  ausführlich mit ihrer Vita vorzustellen, und der Roman zum Showdown ein  richtiger Polizeikrimi wird. Doch dazwischen gibt es viel von denen zu lesen,  die sich bei der „endgültigen Lösung“ eines Problems übers Internet helfen  lassen. Ihnen gehören die wirklich starken, authentischen, menschlichen und  spannenden Szenen in „mord.net“, und sie versöhnen damit, dass „mord.net“  aufgrund der vielfältig gewählten Perspektiven teilweise einen zerklüfteten  Eindruck hinterlässt. Sie sind wie der Kitt, der den Krimi doch noch  zusammenhält und ihm bei aller Technologie und Unmenschlichkeit auch etwas Menschliches  verleiht. „mord.net“ ist die zeitgemäße Variation des klassischen Krimimotivs  vom motivlosen Mord, mit zum Teil beängstigenden Einblicken in die  internationale Internetkriminalität.
          
          
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© August 2009 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien