| Die Zeit der Hexe "Todesgott" von Árni Þórarinsson
Es ist ein Kriminalroman, dieses vierte  Buch mit dem Journalisten Einar. Es gibt verschiedene Todesfälle und Einar, der  Journalist, kann sich wieder einmal nicht zurückhalten. Er spürt, dass mehr  hinter diesen Todesfällen steckt. Es stellt sich ihm die Frage, ob es sich bei  dem einen oder anderen Todesfall wirklich um einen Unfall, Selbstmord oder Mord  handelt. Obwohl, wie Árni Þórarinsson sagt, es für Einar in „Der Todesgott“ in vielerlei Hinsicht  wie ein neuer Anfang ist, mischt er sich wieder ein. Einar beginnt ein neues  Leben an einem anderen Ort. Er verläßt seine alten Jagdgründe in Reykjavik und  zieht für eine unbestimmte Zeit in den Norden nach Akureyri und hat anders zu  arbeiten und leben gelernt. Zum Beispiel ohne Alkohol auszukommen. Und sein  Leben ist ausgeglichener als zuvor.
 Einar soll dort die Lokalredaktion für Nord- und  Ostisland aufbauen. Zuerst empfindet Einar dies als Verbannung, in die Diaspora  geschickt zu werden, zu dem er als Kollegen Ásbjörn zugeteilt bekommt, mit dem  er gar nicht kann. Aber auch am Abendblatt, die Zeitung für die Einar schreibt,  sind die schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht spurlos vorbeigegangen. Die  Zeitung hat fusioniert und ist nun Bestandteil einer großen isländischen  Mediengesellschaft. Und so kommt es nun, dass Einar mit der Fotografin Jóa auf  der Rückreise von Hólar in Hjaltadalur ist und die Geschichte beginnt.
 Der Bischofssitz Hólar liegt in  Nordisland im Hjaltadalur und ist von der Strasse 1 erreichbar über die Strasse  76. Wenn man von dieser nach 28 Kilometer auf die Strasse 767 abzweigt kommt  man direkt nach Hólar. Hólar im   Hjaltadal war für über 700 Jahre lang (von 1106-1798) das religiöse und  kulturelle Zentrum von Nordisland. Nachdem Hólar im Jahr 1106 neben Skálholt  zum zweiten Bischofssitz Islands wurde, gelangte das Bistum in den folgenden  Jahrhunderten zu beachtlichem Reichtum und konnte schließlich ein Viertel des  Landes zu seinem Grundbesitz zählen. Heute sind nur noch wenige Zeugnisse des  ehemaligen Reichtums erhalten. Die Kirche aus dem Jahr 1763 ist die fünfte an  diesem Platz und gleichzeitig die kleinste. Sie wurde vom deutschen Architekten  Sabinsky aus rotem Sandstein erbaut, während die früheren Kirchen aus Holz  gebaut  waren. Der Turm der Kirche stammt  aus dem Jahr 1950 und wurde zum Gedenken an den letzten katholischen Bischof  von Hólar, Jón Arason, errichtet. Er gilt als Kämpfer für die politische  Unabhängigkeit Islands von Dänemark und wurde wegen seines Widerstands gegen  den dänischen König und gegen die Reformation im Jahr 1550 enthauptet.
 Bekannt wurde Hólar auch wegen der Druckerei, die  Bischof Guðbrandur Þorláksson (1571-1627) betrieb. Insgesamt ließ er mehr als  100 Bücher drucken. Bekannt war die Druckerei vor allem wegen der dort  gedruckten Bibel. Sie war die erste vollständige Bibelausgabe in isländischer  Sprache und jede Kirche in Island war verpflichtet, ein Exemplar zu erwerben.  Die nach dem Bischof benannte Guðbrandsbiblia war wegen ihrer weiten  Verbreitung auch maßgeblich für die Erhaltung der isländischen Sprache  verantwortlich. Ein Exemplar der Bibel aus dem Jahr 1584 liegt in der Domkirche  von Hólar aus.
 In Hólar haben nun Einar und Jóa Interviews mit  Studenten der Theatergesellschaft der Universität von Akureyri gemacht, die  eine Aufführung eines hundert Jahre alten Stückes, genannt  "Galdra-Loftur" einstudieren. Sie planen die Aufführung an diesem  alten Ort des Lehrens und der Religion, an diesem so geschichtsträchtigen Ort  für Island. Über Jahrhunderte waren die einzigen Schulen Islands die der beiden  Sitze der Kathedralen in den Orten Hólar im Norden und Skálholt im Süden des  Landes. Heutzutage hat Akureyri Hólar als Zentrum von Nordisland abgelöst. Das  Stück selbst basiert auf der Legende von Faust und spielt mit dem  mittelalterlichen Motiv des Teufelsbundes, dem Motiv des teuflischen Paktes.
 
 In der Nähe, am Vestari Jökulsá, einem  Gletscherfluß, sind eine Gruppe von Menschen einer Firma aus Akureyri auf einer  Rafting Tour. Eine Frau fällt über Bord und Einar und Jóa stoßen hinzu, um für  ihre Zeitung von diesem Ereignis zu berichten. Ein paar Tage später  verschwindet der junge Darsteller, der den "Galdra-Loftur" spielt am  Abend vor der Premiere spurlos. So beginnt der Kriminalroman.
 
 Árni Þorarinsson selbst sagt, dass dieser Roman  zuerst und zuvorderst Unterhaltung ist. Und dies ist er natürlich auch. Einar,  der die Welt immer aus einer ironischen Sicht betrachtet aber im Grund ein  großer Romantiker und Melancholiker ist, hat es hier mit verschiedenen  menschlichen Schicksalen zu tun. Aber das Buch hat einen sozialen und  politischen Hintergrund, der in den letzten Monaten aktueller den je geworden  ist. Árni hat dazu in einem Interview mit schwedenkrimi.de gesagt, dass der Hintergrund des Buches darauf basiert, was wirklich heutzutage  in Island passiert. Das Buch erschien 2005 in Island, als von einer Finanzkrise  weit und breit nichts zu sehen war. Aber schon zu dieser Zeit, schrieb Árni  über die sozialen Umbrüche auf Island. Zum Beispiel rund um das Dorf  Reyðargerði im Osten, wo ein Wasserkraftwerk und eine Aluminiumfabrik gebaut  wurden.
  Im Herbst 2006 stand Island an einem Wendepunkt. Für  einen fast 60 Quadratkilometer großen Stausee, der eine neue Aluminiumhütte mit  Strom versorgen soll, wurde eine abgelegene Wildnis im Hochland geflutet. Die  Staumauer ist die höchste in ganz Europa. Das Land wurde auf eine Weise  verändert, die nicht mehr rückgängig zu machen ist: Die Vegetation ist  überschwemmt, Wasserfälle und Teile einer Schlucht sind trockengelegt,  Kurzschnabelgänse und Rentierherden vertrieben. Die Isländer wussten nicht, ob  sie vor dem großen wirtschaftlichen Durchbruch oder vor der größten  Umweltkatastrophe ihrer Geschichte standen. Die Aluminiumhütte von Alcoa  sollte  einer diesen trostlosen Regionen,  dem recht dünn besiedelten Osten, zu neuem Aufschwung verhelfen. Allzu lang  hatte das Leben auf Island nicht viel mehr zu bieten gehabt als eine Hütte aus  Torf und Steinen, dunkle Winter, Kälte, Erdbeben, Seuchen, Hungersnöte und  Vulkanausbrüche. Allzu lang war Island eine Welt gewesen, in der es fast  ausschließlich um das Wohlergehen der Schafe und um den Erfolg beim  Kabeljaufang ging. Erst in den letzten Jahren wurde die Fischereiindustrie als  erfolgreichster Industriezweig durch die Finanzwirtschaft abgelöst. Dies war  vor der Finanzkrise. Aber da sich die ganze Wirtschaft im Großraum Reykjavik  ballt, ist es in manchen Randgebieten Island noch heute so, wie vor fünfzig  Jahren. Und so wurde für die elektrische Versorgung einer einzigen  Aluminiumhütte ein enormer technischer und finanzieller Aufwand betrieben, der  für Island beispiellos war und ist. Doch allmählich wurde das ganze Ausmaß des  Vorhabens klar - und damit auch dessen unwiderruflichen Folgen für die  Landschaft durch diesen gigantischen Damm, die Aufstauung zweier  Gletscherflüsse und die sich anschließende Flutung von fast 60  Quadratkilometern Hochlandwildnis. Aber nicht nur für die Landschaft Island  brachte dies eine Veränderung. Auch für das soziale und gesellschaftliche Leben  im Osten Islands ist dies ein gewaltiger Umbruch, mit all seinen sozialen  Problemen, die dieser mit sich gebracht hat.
 Und diesen Konflikt - Zerstörung der natürlichen  Ressourcen, das wachsende Umweltbewußtsein und die Ausbeutung dieser Natur aus  wirtschaftlichen Interessen - macht Árni zu dem Thema dieses Buches, zeigt  mehrere der ernsten Veränderungen auf, welches Island durchmacht. Er versucht  in diesem Kriminalroman, eine klare Charakterisierung der modernen isländischen  Gesellschaft und vielleicht der westlichen Gesellschaft im Allgemeinen zu  Papier zu bringen. Egoismus, Materialismus, Habgier und einen Mangel an Respekt  voreinander und der Natur im Besonderen. Einen Mangel an Respekt für die  Menschen und an anderen Werten, als die, die man kaufen oder verkaufen kann. Es  ist die Idee, von "Ich tue es, weil ich es kann", nicht, "Es ist  das Richtige, was ich tue", weil es mehr Menschen als "mich"  glücklich macht. Die Gesellschaft ist ein Opfer einer Art von  Demokratiefeindlichkeit und materieller Selbstbefriedigung. Das wird zum Beispiel  an der zunehmenden Kluft zwischen den sehr Reichen und den ganzen Armen  widergespiegelt und in der kurzsichtigen Ausbeutung einer Landschaft und den  natürlichen Reichtümern, wie es in Ostisland geschehen ist.
 
 Árni benutzt dieses alte isländische Volksstück von  Loftur dem Zauberer, als Matrix seiner Geschichte. Dieses alte Schauspiel,  welches sich auf das klassische Thema eines Mannes bezieht, der seine Seele an  den Teufel verkauft, um tun zu können, was er will und kann, hat ein Thema, das  es in vielen Variation in vielen Ländern gibt. Der alte Bischofssitz Hólar als  altes Machtzentrum und Akureyri als Verkörperung des neuen Islands sind die  Gegensätze, an denen Árni aufzeigt, welche Veränderungen Island durchmacht.  Dieses alte Schauspiel ist die perfekte Illustration, der perfekte Rahmen für  diese Geschichte. Skarphéðinn, der Hauptdarsteller des Loftur, ist die  Verkörperung des modernen, nur an sich denkenden Menschen. Er tut Dinge, weil  es in seiner Macht steht. Ein Mensch, der tut, was er will. Einer, der andere  dazu bringt, zu tun was er will. Einer, der seine Seele verkauft hat. An den  Mammon, an die Gier nach mehr, ohne Rücksicht auf die Folgen. An die  "satanischen" Mächte, die ihm Wissen, Macht und Genuß verschaffen  sollen. Aber das faustische Streben nimmt dämonische Züge an, wenn die Natur  mit den unlauteren Mitteln der "Magie" (der Ausbeutung) zur Preisgabe  ihrer Geheimnisse genötigt werden soll. Und es ist eine Geschichte über die  ewige Dreiecksbeziehung.
 
 Einar nun, der von sich sagt, "Es ist mein Job,  die Entwicklung der isländischen Gesellschaft zu verfolgen“ steht vor den  Resultaten dieser Entwicklung. Drogenhandel, Fremdenhaß, Zerfall der Familien,  Egoismus, Abwanderungen und eine Ellbogengesellschaft, die kein Miteinander  mehr kennt. Eine ausweglose Gesellschaft. Er steht vor den Trümmern von  Beziehungen und vor kaputten Landschaften. Es stellt sich die Frage, ob eine  Umkehr in ein Leben naiver Unbefangenheit ihm und der isländischen  Gesellschaft  versagt ist oder noch  möglich ist. Eine Frage, die sich angesichts der aktuellen Krise in Island mehr  denn je stellt.
 
 Árni verflechtet historisches Erbe mit einer  einfühlsamen und hellsichtigen Erkenntnis über die isländische Gesellschaft.  Und „Loftur“, die Geschichte über einen Mann, der sich danach sehnt, Herr über  sein eigenes Leben zu sein und seine gesamte Umgebung zu dominieren, ohne  Rücksicht auf andere, immer nur seinen eigenen Willen oder seine eigenen  Wünsche, wie es in der Sage heißt, vor Augen. „Loftur“ als Archetyp des  modernen aufstrebenden Menschen. Und so ist „Der Todesgott“ ein fantasievoller,  unterhaltsamer und aufregender Roman, welcher raffiniert die Korruption und  Verdorbenheit unserer Zeit reflektiert. Es ist eine verschlungene Erzählung, in  welcher jedes Rätsel ein weiteres auslöst. „Der Todesgott“ war für den  isländischen Literaturpreis nominiert.
 
 Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
 © Dezember 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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      |  "Tími 
          nornarinnar" von Árni Þórarinsson
"Im gleichen Moment krachte sein Kopf auf dem 
          Grund auf, ich legte die Fernbedienung weg und dachte über die 
          Liebe nach, die Menschen für ihre Haustiere empfinden.. Der gleiche 
          Moment, zwei Orte. Gab es eine Verbindung?" Eine Gruppe von College 
          Studenten sind dabei, die isländische Volkssage "Loftur der 
          Hexer für die Premiere in Hólar in Hjaltadalur vorzubereiten 
          und der Reporter Einar bricht dahin auf, um über das Ereignis zu 
          berichten. Er hat seine alten Jagdgründe, die Verbrechen in der 
          Hauptstadt aufzuzeichnen, aufgegeben, und zog in die kleine Stadt Akureyri, 
          wo er erwartet die Auflagenzahl der Abendzeitung im Norden und Osten 
          des Landes in diesen florierenden Zeiten anzukurbeln. Aber auf seinem 
          Rückweg von Hólar, findet Einar ein heißeres Thema 
          zum Berichten: eine Frau aus Akureyri fiel bei einem undurchsichtigen 
          Unfall während einer Rafting Tour eines Gewerkschaftsausflug einer 
          isländischen Firma über Bord. Sie starb kurze Zeit später.         
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |   Das ist der erste - aber nicht letzte - Tot, der bei diesem undurchsichtigen 
          Ablauf der Ereignisse, die sich in diesem neuen Kriminalroman über 
          die Abenteuer des Journalisten Einar entfalten, vorkommt. Árni 
          Þorarinsson verflechtet historisches Erbe mit seiner einfühlsamen 
          Erkenntnis über die isländische Gesellschaft, webt eine verschlungene 
          Erzählung, in welcher jedes Rätsel ein weiteres auslöst.Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
 "Tími nornarinnar" ist ein fantasievoller, unterhaltsamer 
          und furchtbar aufregender Roman, welcher raffiniert die Korruption und 
          Verdorbenheit unserer Zeit reflektiert. Oder wie ein Kritiker schrieb: 
          " "Tími nornarinnar" ist ein ausgezeichneter Kriminalroman...er 
          schickt einen kalter Schauer die Wirbelsäule eines jeden Lesers 
          hinunter, der sich vielleicht darüber wundert, ob die Tage der 
          Hexen in der isländischen Gesellschaft wirklich zu Ende sind. Nominiert 
          für den isländischen Literatur Preis. Es ereignete sich nur 
          ein mal zuvor, dass ein Kriminalroman einer der fünf nominierten 
          Titel ist. Letztes Jahr war es "Kleifarvatn" vom "Gold 
          Dagger" Gewinner Arnaldur Indriðason.
 © September 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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      |  "Blátt 
          tungl" von Árni Þórarinsson (2001)
Es ist der Weihnachtsabend, das Fest des Lichts und 
          des Friedens. Einar, der Journalist, geht zusammen mit seiner Tochter 
          zu seinem Elternhaus, um das traditionelle Weihnachtsessen einzunehmen, 
          als der Nachrichtensprecher den Fall einer vermissten Person meldet, 
          und er fühlt sich verpflichtet, mehr darüber herauszufinden. 
          Daraus entwickelt sich ein rasanter, aufregender Ablauf von Ereignissen, 
          in denen Einar alten und neuen Gegnern, einschließlich sich selbst, 
          angeht. Noch bevor sich der Staub gelegt hat, muß er all seinen 
          Einfallsreichtum aufbieten, um nicht seinen Ruf und seinen Geist zu 
          verlieren. "Blátt tungl" ist eine Kriminalgeschichte 
          aus der Tiefe des isländischen Winters, in denen rätselhafte 
          Elemente der menschlichen Psyche und vertraute Merkmale des täglichen 
          Lebens zu einem komplexen aber straffen Stoff verwoben werden. Die Geschichte 
          verbindet sich mit Þórarinssons zwei vorangegangenen Büchern, 
          die die gleiche Hauptperson haben, Einar, und schließt in diesem 
          Buch unterschiedliche Angelegenheiten ab. Beide vorangegangenen Bücher 
          "Nóttin hefur þúsund augu" und "Hvíta 
          kanínan" wurden von den Lesern und der Kritik auf Island 
          und im Ausland ohne Unterschied freudig begrüßt. "Blátt 
          tungl" spielt im Herzen des Winters und ist eine finstere Geschichte. 
          Es ist nicht nur eine Geschichte über Menschen, die ruhelos versuchen, 
          ihre Geheimnisse zu behüten, sondern wir folgen Einars Ermittlungen 
          in Depressionen, Selbstmorden und über das Verschwinden
 Þórarinssons Stil ist oft geradezu spielerisch hämisch 
          und gelegentlich einfach nur warmherzig. Und es gibt keinen Zweifel, 
          dass der Autor mit seinen Protagonisten mitfühlt und sie nicht 
          im Angesicht der Dunkelheit aufgeben möchte.
 
 Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
 © April 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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